Erzbistum Freiburg
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Bonndorfer Vergleich

vom 12./22. Juli 1927

Zur Erledigung des zur Zeit beim Oberlandesgericht Karlsruhe schwebenden Rechtsstreits in Sachen der römisch-kathol. Pfarrkirche und der römisch-kathol. Kirchengemeinde Bonndorf i. Schw. gegen den bad. Domänenfiskus wegen Sakristeiheizung usw. und zur Beseitigung streitiger Rechtsverhältnisse ähnlicher Art, wie sie in diesem Rechtsstreit in Frage stehen bezüglich anderer Kirchen und Kirchengemeinden (vergl. § 1), schließen der Kath. Oberstiftungsrat namens der in § 1 genannten Kirchen und Kirchengemeinden und
das Badische Finanzministerium – Domänenabteilung – namens des Bad. Landesfiskus – Domänenärar – folgenden
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Vergleich.

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§ 1

Der Vergleich erstreckt sich nicht nur auf die Pfarrkirche und die Kirchengemeinde Bonndorf, sondern auch auf die nachgenannten Pfarrkirchen und Kirchengemeinden:
  1. Bernau
  2. Bruchsal-Stadtkirche U. L. Fr.
  3. Bruchsal-Hofkirche
  4. Freiburg-Herdern St. Urban
  5. Höchenschwand
  6. Konstanz-Münsterkirche
  7. Konstanz-Stephanskirche
  8. Menzenschwand
  9. Oberried
  10. Säckingen St. Fridolin
  11. St. Peter
  12. St. Ulrich
  13. Schlatt, Amt Staufen
  14. Schwarzach
  15. Todtmoos
  16. Unteribach
  17. Urberg.
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§ 2

Soweit bisher des Domänenärar erst bei Unzulänglichkeit eines voraus haftenden kirchlichen Fonds oder eines anderen leistungspflichtigen Dritten haftete, bleibt diese Einschränkung der fiskalen Haftung auch im Rahmen dieses Vergleichs.
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§ 3

Der Vergleich bezieht sich auf die Befriedigung derjenigen örtlichen kirchlichen Bedürfnisse, welche unmittelbar oder mittelbar der Ausübung des römisch-kathol. Gottesdienstes dienen (Kultbedürfnisse), also nicht zu den Bau- oder Pfründbedürfnissen gehören. Zu den Kultbedürfnissen in diesem Sinne zählen also auch solche Bedürfnisse, deren Befriedigung, wie z. B. die Sakristeiheizung, nur mittelbar die Abhaltung des kirchlichen Gottesdienstes im eigentlichen Sinne fördert. Der Vergleich erstreckt sich dagegen nicht auf die Befriedigung der Bau- und Pfründebedürfnisse.
Bezüglich solcher Kultbedürfnisse, die der Fiskus bisher nicht befriedigt hat und die nicht zu den neuartigen (§ 6) gehören, begründet dieser Vergleich eine Leistungspflicht des Fiskus nicht; dagegen ist der Vergleich anwendbar auf Fälle, in denen eine bestehende Pflicht des Fiskus infolge Leistung eines Dritten bisher geruht hat, wenn die Leistung des Dritten wegfällt.
Soweit in den in § 1 genannten Pfarrkirchen und Kirchengemeinden hinsichtlich der Belohnung der sogenannten niederen kirchlichen Bediensteten (Mesner, Küster, Organisten usw.) oder hinsichtlich einzelner Kultbedürfnisse besondere Vereinbarungen bei Abschluß dieses Vergleichs bestehen, werden diese durch gegenwärtigen Vergleich nicht berührt.
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§ 4

Die Vertragsteile sind mit Rücksicht auf den rechtskräftigen Teil des für Bonndorf ergangenen Urteils des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 3. März 1920 Z. 1 B.R. 295/1913, Ziffer 1 des Urteilstenors, darüber einig, daß, wenn bisher vom Fiskus befriedigte Kultbedürfnisse (§ 3) der in § 1 genannten Pfarrkirchen und Kirchengemeinden sich künftig quantitativ vermehren, dem Fiskus auch die entsprechende quantitative Vermehrung seiner Leistung obliegt.
Die rechtskräftige Ziffer 1 des genannten Urteilstenors lautet: „Es wird festgestellt, daß dem Beklagten die unbeschränkte Pflicht obliegt, die örtlich-kirchlichen Kultbedürfnisse der römisch-kathol. Pfarrkirche Bonndorf in dem Umfang weiter zu befriedigen, in dem der Beklagte bisher die Befriedigung vornahm, einschließlich künftiger quantitativer Erweiterungen, die etwa notwendig werden.“
Diese Feststellung wird nunmehr auf alle in § 1 genannten Pfarrkirchen und Kirchengemeinden angewendet.
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§ 5

Die Pflicht des Fiskus besteht auch dann, wenn ein bisher dagewesenes und von ihm wirklich befriedigtes Kultbedürfnis durch ein neuartiges Mittel befriedigt werden soll, z. B. wenn der Fiskus den ihm bisher obliegenden Antrieb des Blasbalgs einer Orgel künftig durch einen billigeren elektrischen Motor, statt wie bisher durch einen Blasbalgtreter, besorgen lassen will, oder „wenn die Zeitverhältnisse andere Formen der Befriedigung erforderlich machen“ (Oberlandesgericht, Bonndorfer Urteil, Abdruck S. 47).
Sollen solche neuartige Mittel oder andere Formen zur Einführung kommen, so ist zunächst bei der Domänenabteilung ein entsprechender Antrag zu stellen.
Ist die Befriedigung solcher in Absatz 1 genannter Kultbedürfnisse durch Vereinbarungen bei Abschluß dieses Vergleichs besonders geregelt, so werden diese durch gegenwärtigen Vergleich nicht berührt.
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§ 6

Wenn sich die Kultbedürfnisse (§ 3) der in § 1 genannten Pfarrkirchen und Kirchengemeinden künftig der Art nach vermehren in der Weise, daß ein bisher nicht anerkanntes Kultbedürfnis, z. B. die Notwendigkeit einer Sakristeiheizung, neu auftritt (neuartiges Kultbedürfnis), so trägt an den erforderlichen ungedeckten Kosten
  1. der Domänenfiskus 60 v. H.,
  2. die Pfarrkirche oder Kirchengemeinde 40 v. H.
Als ein wenigstens für den Fiskus neuartiges Kultbedürfnis gilt es auch, und es finden die Bestimmungen dieses § 6 Anwendung, wenn ein Kultbedürfnis zwar bisher von einem Dritten schon befriedigt wurde, wenn aber dieser Dritte seine Leistung deshalb einstellt, weil er nicht pflichtig oder nicht mehr leistungsfähig ist, z. B. wenn der Pfarrer aus Bonndorf das Brennmaterial zum Sakristeiofen nicht mehr stellt.
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§ 7

Die örtlichen kirchlichen Behörden sind verpflichtet, die Teilnahme des Fiskus an der Leistung eines neuartigen Kultbedürfnisses (§ 6) zunächst beim Finanzministerium – Domänenabteilung – zu beantragen; aus Leistungen anderer staatlicher Behörden, die nicht mit Zustimmung der das Domänenärar vertretenden Zentralbehörde erfolgt sind, kann eine Verpflichtung des Fiskus nicht abgeleitet werden.
Der Fiskus ist nicht pflichtig, dem Verlangen der kirchlichen Behörden nach Befriedigung eines neuartigen Kultbedürfnisses (§ 6) stattzugeben:
  1. solange und soweit die Oberste Kirchenbehörde (Erzb. Ordinariat) dem Verlangen der örtlichen Behörden die Anerkennung verweigert, oder
  2. solange das neuartige Kultbedürfnis in den römisch-katholischen Kirchen Badens, für welche die Kultbedürfnisse aus kirchlichen Mitteln (Kirchenfonds, Kirchensteuern usw.) bestrtitten werden, nicht allgemein als Bedürfnis angesehen und dementsprechend auch sonst überall, wo es die Verhältnisse erfordern, eingeführt ist; dem Domänenärar gegenüber genügt eine entsprechende Versicherung des Erzb. Ordinariats;
  3. solange und soweit nicht der der Pfarrkirche oder Kirchengemeinde obliegende Kostenteil (§ 6 Abs. 1 b) auf mindestens 3 Jahre hinaus sichergestellt ist. Als Sicherstellung gilt insbesondere ein staatlich genehmigter Kirchengemeindebeschluß im Sinne des Art. 26 des Ortskirchensteuergesetzes.
Weigert sich die Pfarrkirche oder Kirchengemeinde, ihren Kostenanteil zu tragen, oder ist sie dazu außerstande, so entfällt insolange auch die Leistungspflicht des Fiskus.
Bezüglich solcher Gegenstände, welche zur Befriedigung neuartiger Kultbedürfnisse dienen und bei Abschluß dieses Vergleichs bereits beschafft sind, besteht eine Pflicht des Fiskus zur Erstattung der bisherigen Beschaffungs- und Unterhaltungskosten nicht.
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§ 8

Mindert sich ein kirchliches Kultbedürfnis der Menge nach oder, z. B. infolge Wegfalls des Kommunikantenweins der Art nach, oder kann ein bisheriges Kultbedürfnis durch ein kirchenrechtlich zugelassenes, aber neuartiges billigeres Mittel befriedigt werden, wie in dem in § 5 genannten Beispiel, so mindert sich die entsprechende Pflicht des Fiskus, soweit und solange die Minderung gegeben ist.
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§ 9

Solange ein bisheriges oder neuartiges (§ 6) Kultbedürfnis von dritter Seite befriedigt wird, ruht die fiskalische Pflicht, das gleiche Bedürfnis zu befriedigen. Während des Ruhens der Verbindlichkeit läuft keine Verjährung.
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§ 10

Wenn die in § 1 genannten Pfarrkirchen und Kirchengemeinden bisher dem Fiskus bestimmte Gegenleistungen (z. B. für Tropf- und Abfallwachs, Anniversarien und dergl.) gemacht haben, so bleiben sie auch künftig bestehen.
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§ 11

Die Kosten des Rechtsstreits Bonndorf gegen Fiskus werden wie folgt getragen: Jeder Teil behält seine eigenen Kosten auf sich; von den Gerichtskosten trägt jeder Teil die Hälfte.
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§ 12

Die Parteien behalten sich vor, durch besondere neue Vereinbarung diesen Vergleich auf andere als die unter § 1 genannten Kirchengemeinden und Pfarrkirchen auszudehnen.
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§ 13

Dieser Vergleich bedarf zu seiner Wirksamkeit der Genehmigung:
  1. der in § 1 genannten Kirchengemeinden,
  2. des badischen Finanzministers,
  3. des Erzbischöflichen Ordinariats in Freiburg.
Die Genehmigung der Kirchengemeinde ist vor der des Finanzministers und des Ordinariats einzuholen; sollte eine der in § 1 genannten Kirchengemeinden die Genehmigung nicht erteilen, so gilt dieser Vergleich für diese Kirchengemeinde nicht.
No. 1492
Genehmigt:
  1. vom Kath. Oberstiftungsrat am 10. Juni 1927 No. 9930,
  2. vom Bad. Finanzministerium – Domänenabteilung – am 12. Juli 1927 No. 15725,
  3. vom Herrn Minister der Finanzen am 12. Juli 1927,
  4. vom Erzb. Ordinariat am 22. Juli 1927 No. 8373.